Staatstheater Augsburg 2025

UN BALLO IN MASCHERA | PRESSE

 

Feuriger Witz und kalte Tragik
Der Politiker als Theaternarr: Das Augsburger Staatstheater besinnt sich in Verdis "Un ballo in maschera" auf dessen Kern als Königs-Drama. Ein kontrastreiches Regiekonzept, das bestens aufgeht, auch dank eines durchweg vitalen, sängerisch brillanten Ensembles.
Der Gouverneur träumt. Von Liebe, vom Geliebtwerden, vom Ausbruch aus der Zucht des Politiker-Zeremoniells und von einem dramaturgisch wirksamen Ende. Jedenfalls in Roman Hovenbitzers Inszenierung von Giuseppe Verdis "Un ballo in maschera" tut er das. Denn am Augsburger Staatstheater ist Riccardo ein Theatermann, der seine Phantasien auf der Bühne ausleben möchte. Er macht mit seinen Untergebenen, was er will, verkleidet sich selbst als großer Vogel und fliegt unaufhaltsam auf den Untergang zu. Eine anspruchsvolle Idee, die anfangs für Stirnrunzeln sorgt, im Laufe des Abends aber immer mehr und mehr begeistert. (...)  In diese dramaturgische Ungereimtheit stößt die Augsburger Inszenierung. Der Bostoner Gouverneur wird hier wieder zum absolutistischen Selbstdarsteller.
Die Rolle des Riccardo füllt der Brasilianer Max Jota mit engagiertem Schauspieleinsatz und angenehm timbrierter Stimme. Jotas Tenor glänzt metallisch in der Höhe, besitzt aber auch eine stabile Mittellage und genügend Flexibilität, um in den sprudelnden Hoch-Tempo-Nummern mit französischem Esprit brillieren zu können. So wächst er dem Publikum ans Herz, das den regelmäßig von der Bühne in den Zuschauerraum sprintenden und die Inszenierung lenkenden Riccardo anfangs eher skeptisch beobachtet hat. Das erste Bühnenbild (Bühne: Hermann Feuchter) mit seiner quasi Brecht’schen Kargheit, die Szenen andeutet und nicht ausmalt, hat die Skepsis auch nicht zerstreut. Erst später gewinnt das Visuelle an Gewicht, durch nicht essentielle, aber auch nicht störende Schwarz-Weiß-Videos und vor allem die kreative Entfaltung des Totenkopf-Motivs. Der finale Maskenball wird so zum Tanzspektakel großschädliger Skelette – ein schöner Kontrast zur spritzigen Musik, die Domonkos Héja durchweg pointiert dirigiert.
Überzeugende Figurenregie
Fleißiger Helfer des Gouverneurs ist sein Page Oscar. Die Hosenrolle wird hier aufgewertet, da Oscar sich als Neben-Regisseur betätigt und dem Generalmusikdirektor Héja mit "Bitte, Maestro" überhaupt erst gestattet, den Taktstock zu heben. Vokale Pirouetten drehend betört Olena Sloia mit ihrem Zwitscher-Sopran und einem Talent zum Komischen, das man in Verdi-Opern eher selten sieht. Schön etwa, wie der quecksilbrige Oscar zum Manager der angeklagten Wahrsagerin Ulrica wird, diese optisch herausputzt, verteidigt und letztlich in Kontakt mit seinem Chef Riccardo bringt. Darin liegt ein Vorzug der Konzeption: Sie malt das Stück in einem Chiaroscuro aus feurigem Witz und kalter Tragik, das nicht so oft getroffen wird. (...)
Dass es schwerfällt, dem egomanischen Theaternarren Riccardo zu glauben, dass er seine Amelia wirklich von ganzem Herzen und über alles liebt, fällt kaum ins Gewicht. Am Ende bleibt ohnehin unklar, was genau Inszenierung, was gespielte Realität ist. Das kann man gut aushalten. Die Mehrheit des Publikums klatscht ausdauernd, zurecht. Mit Lust hat es den Maskentanz in den Untergang mitgetanzt.
Bayerischer Rundfunk | BR Klassik)

 

Dieser Herrscher will nur spielen

Die Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Oper „Un ballo in maschera“ am Staatstheater Augsburg lehnt die Hauptfigur eng an das historische Vorbild an – und setzt sie sogar selbst auf den Regiestuhl.

(…) An ebendiesem Sein-und- Schein-Problem macht auch die Neuinszenierung des Verdi-„Maskenballs“ am Staatstheater Augsburg fest, hier ist der Fixpunkt, auf den alles zuläuft: Dass da ein Machthaber – der Riccardo in Augsburg ist kein englischer Kolonialgouverneur oder der reale Gustaf III. von Schweden wie im Libretto, sondern ein unverortet Heutiger – nicht entschieden zwischen seinen Träumen und den Gegebenheiten der realen Welt zu trennen vermag und stattdessen beides ineinanderfließen lässt, mit fatalem Ausgang, wie man sich denken kann.
Das ist ein stimmiger Ansatz, den Roman Hovenbitzer da gewählt hat, und der Regisseur und sein Team finden dafür auch prägnante szenische Lösungen. Vorneweg die Tatsache, dass Riccardo als Theaterverrückter vorgeführt wird, was zugespitzten Ausdruck darin findet, dass er sich „seine“ Geschichte gleichsam selbst inszeniert. Riccardo wechselt daher immer wieder von der Bühne auf den – bei Proben im Augsburger Martinipark tatsächlich an selbiger Stelle zu findenden - Regieplatz mitten im Zuschauerbereich. Was zunächst wie szenografischer Aktionismus wirkt, entfaltet rasch seine Logik, zumal ein weiterer Bühnenbestandteil ausgiebig und sinntragend zur Anwendung kommt: Der durchsichtige Vorhang, der Bühne und Saal trennt und dem in Hovenbitzers Inszenierung die Funktion zukommt, Riccardos Traumwelt von der Realwelt des Stücks zu sondern – was aber nicht durchgängig nach dem Willen des Protagonisten geschieht, denn immer wieder bricht, altmodisch gesagt, das Schicksal ein.
Das Sänger-Ensemble ist so spiel- wie deutungsfreudig
Hovenbitzers Sicht auf den Eskapismus von Riccardo findet immer wieder zurück in die Spur. Das gelingt auch deshalb, weil das Inszenierungskonzept exzellente Umsetzung erfährt durch ein ebenso spiel- und deutungsfreudiges Sängerdarsteller-Ensemble. Max Jota kehrt insbesondere die Egozentrik des Riccardo hervor, der selbst in der Liebe zu Amelia, auf die er letztlich zu verzichten gewillt ist, sich vor allem selbst bespiegeln will. (…)
Eine starke letzte Opernpremiere der sich neigenden Spielzeit am Staatstheater Augsburg.
(Augsburger Allgemeine)

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