PRESSESTIMMEN "DER FLIEGENDE HOLLÄNDER"

Theater Krefeld (2024) | Theater Mönchengladbach (2022)

 

Alles Senta!
Dieser Fliegende Holländer am Theater Krefeld fokussiert auf die weibliche Hauptrolle und begeistert durchweg
Alles Senta! – möchte man euphorisiert ausrufen. (…) In der Tat ist dieser Opernabend eines jener Erlebnisse, die noch kraftvoll nachhallen, selbst wenn schon der letzte Ton verklungen, der letzte Jubelsturm des begeisterten Applauses abgeebbt ist. Musikalisch, inszenatorisch, überhaupt künstlerisch-ästhetisch, folglich auch atmosphärisch gelungen präsentiert sich die Übernahme der schon in Mönchengladbach erfolgreich gezeigten Inszenierung von Roman Hovenbitzer.
Die Regie nähert sich der romantischen Oper Wagners aus der Perspektive Sentas und überschreibt Teile der Geschichte mit einer leicht gegen die intendierte Story von Wagners verschobenen Version – doch dies gelingt glücklicherweise mehr mit als gegen Wagner. Jener selbst arbeitete sein Frühwerk mehrfach um. Auch wenn Umdeutungen oder Modernisierungen von Wagnerstoffen zumeist häufig gewollt und nur selten gekonnt sind, kann man, auch ohne in Text und Musik einzugreifen, durch szenisches Geschick neue Bedeutungsebenen entstehen lassen. Dies gelingt dem Regieteam in diesem Fall hervorragend. Trotz einer feinen Ambivalenz zwischen Augenzwinkern und Ernstnehmen, auch dank des eindrücklichen Bühnenbildes des letztes Jahr verstorbenen Roy Spahn, bleibt die Gestalt, die Aura des Wagnerschen Meisterwerks erhalten.
Die weibliche Hauptfigur Senta, die sich in Wagners ursprünglicher Dramaturgie schließlich für die Erlösung des Fliegenden Holländers aufopfert, wird hier zu einem omnipräsenten roten Faden. Verwehrt man am Ende dann indes doch den für den Komponisten so zentralen Moment der Erlösung. Senta fungiert zudem auch als Beobachterin des Geschehens, vielleicht sogar als die Erträumerin der gesamten Geschichte. Aus dem Spielball männlichen Willens wird selbst die unbändig wollende im Piratenkostüm. Aber das, ohne Wagners Stückidee Gewalt anzutun. Überhaupt überzeugt die Inszenierung mit vielen guten Einfällen - auch unterstützt durch Videoprojektionen (Peter Issig) mit einer ansprechenden Gesamtästhetik.
Schon während der Ouvertüre lernt das Publikum die Vorgeschichte der jungen Senta kennen. Die ihre Mutter verlor und unter problematischen Verhältnissen aufwachsen musste – schon damals sich in die Phantasiewelt des Fliegenden Holländers flüchtend. Eine kraftvolle, unbändige Welt. Das Publikum lernt den Vater Daland als gewalttätig und untreu kennen – prägend für die junge Senta, die ihr nicht einfaches Schicksal mehr und mehr in die eigenen Hände nimmt, sich gegen die Rahmenbedingungen ihrer Welt mit einer Gegenwelt auflehnt. Der wilde Wunschtraum Holländer verwandelt sich mit den Heiratsplänen in einen ebensolchen angepassten Traumschiffkapitän, wie Daland von Anfang an gezeichnet wurde. Dies wird für Senta zum Albtraum, aus dem sie sich schließlich befreien kann. (…)
Bravo! – für einen selten guten Wagner-Abend.
(Westdeutsche Zeitung | 2024)

 

So einen Jubel hört man selten
Der fliegende Holländer am Theater Krefeld                                          
Am Ende einer Wagner-Oper ist die Heldin meistens tot, um ihren Helden zu erlösen. In diesem Fliegenden Holländer zeigt Senta dem Helden die Zähne. Das Publikum tobte bei der Premiere. (…) Schon in die letzten beiden Schlussakkorde des Finales klappt der erste Beifall. Kaum ist die Musik verhallt, kommen die Bravo-Rufe. Minutenlang brandet der Jubel. Dann schaltet die Lichtregie erbarmungslos die Saalbeleuchtung ein, sonst wäre dem Tosen im Saal kaum Einhalt geboten worden. Die Premiere der Wagner-Oper Der Fliegende Holländer hat viele so aufgewühlt wie das Meer. Tonstark, bildstark - und Wagner mal mit sanften Drehs den Machismo austreibend. Von wegen, die Frau geht liebesschwanger in den Freitod, um den Traummann zu erlösen. Diese Senta pfeift dem Helden was. Sie knallt ihm den Brautschleier vor die Füße und macht sich temperamentvoll von Bord - couragiert wie eine Piratenbraut aus dem „Fluch der Karibik“.
So sieht sie auch aus. Wie die Schwester von Elizabeth Swann führt Roman Hovenbitzer die Heldin seiner Inszenierung ein. Das Frauenbild von Richard Wagner, im 19. Jahrhundert verhaftet, hat sich überholt, ist nach „MeToo“ für den Regisseur unhaltbar. Senta ist eine starke, eigensinnige Frau. Hovenbitzer verpasst ihr eine Lebensgeschichte, die mit der Ouvertüre beginnt.
Im Orchestergraben schlagen Wagnersche Wellen hoch, auf einer transparenten Videowand schäumt das Meer und aus den Tiefen taucht ein riesiger Schiffsrumpf mit Bullaugen auf. In der Kulisse sitzt die kleine Senta und malt sich ihren Traumkapitän: Der sagenumwobene Holländer beflügelt ihre Fantasie: Ein Mann, der verflucht ist, bis in alle Ewigkeit über die Weltmeere zu segeln. Nur alle sieben Jahre darf er an Land, um eine Frau zu finden, deren Treue den Fluch brechen kann. Das ist Öl im Endorphin-Feuerwerk. Mädchenkleidchen und Puppen sind nichts für Senta. Mit Dreispitz, Gehrock und Augenklappe ist sie selbst eine Abenteurerin. Dass das Kindermädchen Mary offensichtlich die Geliebte ihres Vaters ist und die Mutter sich deshalb umbringt, ist das Trauma ihrer Kindheit. Auch wenn sie noch keinen Ton singt, ist Senta von Anfang an präsent.
Der erste Aufzug gehört den Männern: Kapitän Daland führt sein Schiff, die „Conquerer Cruises“, souverän durch alle Wetter und hat seine Mannschaft sowie ein Heer von Kreuzfahrttouristen fest im Griff. Als der Holländer an Bord kommt, wittert er seine Chance. Der legendäre Kapitän bietet ordentlich Geld und Gold, um Dalands Tochter zu heiraten - und endlich aus der Ruhelosigkeit befreit zu werden. Johannes Schwärsky ist schon optisch eine Idealbesetzung - ein verwegener Ozeanbezwinger, vor Vitalität strotzend. In raumgreifenden Gesängen findet er die richtige Proportionierung von Maskulinität und tiefer Sehnsucht nach Ruhe, letztlich nach Tod. Dann klingt er nach bodenloser Melancholie. Der Seebär ist müde geworden.
Holländer und Daland sind jene Zwei, die sich im Handel über den Kopf einer Frau hinweg gar nicht so unähnlich sind. In diesem Holländer ähnelt sich der legendäre Held, dem Familienvater-Kapitän immer mehr an - auch in den Kostümen, die Mechthild Seipel entworfen hat. Am Ende trägt auch er die spießige Traumschiffsuniform. Es ist absehbar, dass die emanzipierte Senta diesen Langweiler am Ende nicht mehr will. Die Besessenheit vom Helden ihrer Fantasie schlägt um in tiefe Enttäuschung über den von allem Glanz befreiten seemüden Untoten, der nur einen Heimathafen will.
Mit Bannern vom Hafen der Ehe und Plakaten wie „Ocean Bride - Your Dreams Come True“, die Eheseligkeit heucheln, wird Wagners Weltbild retuschiert. Nicht immer passt der Text zu Hovenbitzers Deutung. Aber die Bilder sind so stark wie die Frauenfigur. (…) Eine rebellische Senta, die den zahmgewordenen Fliegenden Holländer nicht will. Ihre Wunschvorstellungen voneinander halten der Wirklichkeit hier schlicht nicht stand.
(Rheinische Post | 2024)

Wenn alles stimmt
Opernfreund-Stern: Der fliegende Holländer | Theater Krefeld
Was Regisseur Roman Hovenbitzer mit Wagners Fliegendem Holländer für eine wunderbar charmante und so werktreu wie moderne, unterhaltsame Geschichte erzählt, ist einfach grandios und publikumsfreundlich – ein Regisseur, der es drauf hat. Er will uns weder belehren noch veräppeln. (…) Da gelingt es doch tatsächlich einmal, Wagners „alten Schinken“ mit all seinen teils ja heutzutage recht fragwürdigen Frauenbildern überzeugend und ohne Brüche als richtig gutes Musiktheater zu inszenieren, welches die Fantasy-Story Heines aus der Grusel-Geisterbahn weder ignoriert noch veralbert, sondern in einen richtig guten und zeitgemäßen Rahmen steckt, der auch Frauenrechtlerinnen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern dürfte. Genauso sollte/muss heute eine Oper inszeniert werden, wenn die Gattung nicht aussterben soll. Kann man diesen Holländer schöner, mitreissender und intelligenter inszenieren? Ich glaube kaum. Ein großer Abend, welcher unisono zu Recht bejubelt wurde. Bravi a tutti! Dafür ist unser OPERNFREUND-Stern die gerechte und angebrachte Würdigung.
(Der Opernfreund | 2024)

 

Die Inszenierung von Roman Hovenbitzer wirkt geradezu filmisch und zieht das Publikum von Beginn in seinen Bann. Sie ist ein mehr als hervorragendes, gekonnt zwischen Realismus und Traumhaftem balancierendes Beispiel dafür, wie Wagners Werk zeitgemäss und überzeugend dargestellt werden kann. (…) Hovenbitzer, einer der herausragenden Götz-Friedrich-Schüler, gibt sich alle Mühe, ein modernes Bild von Senta zu präsentieren, was ihm in den meisten Szenen auch gut gelingt, und erhöht so die Spannung in dem Werk, auch weil es mit der bekannten Haltung des Komponisten gegenüber der Frau kollidiert. (…) Das Theater Krefeld/Mönchengladbach eröffnet das Jahr mit einem Paukenschlag. (…) Die szenisch-musikalischen Bilder und Stimmungen entfalten sich mit großer Klarheit, sowohl auf der Bühne als auch im Orchestergraben herrschen große Emotionen. Das Publikum würdigt diesen hervorragenden Opernabend am Ende mit stürmischen und lang anhaltenden Ovationen.

(mundoclasico | Spanien - Übersetzung/2024)

In der Krefelder Inszenierung des Fliegenden Holländers von Roman Hovenbitzer erfährt man sehr viel Erhellendes über Sentas nicht gerade glückliche Kindheit: Man wird Zeuge, wie Sentas Mutter stirbt und an ihre Stelle eine nicht gerade feinfühlige Stiefmutter, die Mary sehr ähnlich sieht, tritt. Auch Vater Daland ist mit Sentas Entwicklung gar nicht einverstanden: Senta gebärdet sich eher wie ein Junge und ist auch gekleidet wie ein Seefahrer. Das Spiel mit Puppen lehnt sie vehement ab, ebenso wie ein hübsches Kleid, das ihre Stiefmutter für sie gemacht hat.Später ist die kleine Senta fast den ganzen Abend auf der Bühne, oft gemeinsam mit ihrem Alter Ego, der erwachsenen Senta, die bereits im Vorspiel durch die Bullaugen im Hintergrund das Geschehen beäugt.
Daland scheint ein Kreuzfahrtschiff zu führen, dafür sprechen moderne Clubsessel; Name des Unternemhems "Conqueror Cruises" (Eroberer-Kreuzfahrten). Der Kapitän ist dabei sehr auf materielle Güter aus: Dass er Senta an den Holländer "verscherbelt", arbeitet der Regisseur sehr deutlich heraus. Die von Wagner intendierte Spinnstube mutiert zu einem Brautsalon names "Ocean Bride" und ist offensichtlich auch im Inneren dieses Schiffes angesiedelt. Doch Rost an den Wänden und schadhafte Stahlträger zeugen davon, dass der Salon schon bessere Zeiten gesehen hat. Golden hingegen leuchtet die Gallionsfigur von des Holländers Schiff, die unvermittelt ins Geschehen stürzt. Das intelligente Bühnenbild stammt von dem im Oktober des letzten Jahres verstorbenen Bühnenbilder Roy Spahn.
(Das Opernglas | 2024)

 

Überhaupt gibt es in diesem tollen Regie-Konzept von Roman Hovenbitzer keine überflüssigen oder unpassenden Sperenzien, trotz moderner Auslegung. Alles paßt. Auch, daß man Wagner übertitelt. Ein ausgebildeter Opernregisseur, der seinen Beruf gelernt hat – und wie. Ein Profi, der das Werk liebt, die Partitur lesen kann und so charmant wie fantasievoll alles in eine tolle Story kleidet. So muß Musiktheater heutzutage inszeniert werden. Da vergeben wir auch noch unseren Opernfreund Stern, denn so eine Inszenierung ist grandios und mit Kenntnis und Liebe zur Musik erfüllt. (…)
Am tradierten Schluß springt Senta nicht nur aus ihrem Brautkleid zurück ins Räuber-Outfit und auch real raus dem Szenen-Bild, sondern sie hat auch endlich ihr Bild von der Fantasie-Figur ihres Geister-Traum-Mannes, an der sie die ganze Oper über quasi in einer Parallelmontage zusammen mit ihrem kindlichen Alter-Ego gearbeitet hat, fertiggestellt. Die beiden Frauen verscheuchen die olle Geistergeschichte im Moment der Apotheose mit einer Handbewegung und gehen zuversichtlich Hand in Hand in eine für Frauen bessere und hoffentlich aufgeklärtere Zukunft. Was für ein Theatercoup! Was für ein begnadet schönes Ende!
(Der Opernfreund | 2024)


Zeitgemäßes Menschenbild
Neudeutung von Wagners Der fliegende Holländer durch Roman Hovenbitzer am Theater Krefeld
Daran knüpft Regisseur Hovenbitzer auch eine Neuinterpretation der Oper an, indem er ein zeitgemäßes Frauenbild ins Zentrum rückt. Anders als in der Vorlage Richard Wagners unterwirft sich Senta keineswegs den von Mythos und toxischer Männlichkeit vorgezeichneten Ansprüchen. (…) Das Premierenpublikum zeigte sich von der Aufführung restlos begeistert. (…) Ein erstklassiges Opernerlebnis.
(Mein Krefeld-Kultur | 2024)

Minutenlange Bravo-Rufe und Standing Ovations machten deutlich, dass die bildmächtige Inszenierung den richtigen Nerv getroffen hatte. Dabei galten die intensiven Beifallsbekundungen vielleicht auch ein bisschen der nahezu feministischen Botschaft, die der Regisseur in die Wagner’sche Opernwelt hineingeschmuggelt hat.
(Crevelt-Das Magazin | 2024)

 

Der fliegende Holländer zur Saisoneröffnung am Theater Mönchengladbach - ein begeisternder Opernabend

(...) Damit hat man alles richtig gemacht, denn die anwesenden Zuschauer im Mönchengladbacher Theater erlebten bei der Premiere einen begeisternden Opernabend. (...) Roman Hovenbitzer setzt in seiner Inszenierung auf die Stärke dieser klassisch romantischen Oper und dem Zusammenprall von Realität und Irrealität. Hierbei konzentriert er sich weniger auf den Holländer, sondern legt den Fokus auf Dalands Tochter Senta und (...) blickt dieser jungen Frau sehr gefühlvoll in die Psyche hinein, die sich in einer von Männern dominierten Gesellschaft behaupten muss. Obwohl Senta aktiv erst im zweiten Aufzug ins Geschehen eingreift, ist sie doch ab der ersten Sekunde auf der Bühne zu sehen. Bereits die bespielte Ouvertüre wird als Rückblick auf Sentas Kindheit dargestellt. Die erwachsene Senta sitzt hierbei am Bühnenrand, während ihre Gedanken in ihre Kinderzeit schweifen. Dies ist hervorragend umgesetzt, so dass man als Zuschauer direkt in die Oper hineingezogen wird. Hin und wieder erlebt man einen Opernabend, bei dem man bereits nach zwei Minuten weiß, dass dies ein ganz besonders gelungener Theaterbesuch werden wird. Das dies in der besuchten Vorstellung auch der Fall war, verdankt man auch dem Umstand, dass die Bespielung der Ouvertüre perfekt auf die Musik abgestimmt ist. Auch auf die große Bühne von Roy Spahn kann man an dieser Stelle schon einen ersten Blick werfen. Gestaltet ist das maritime Bühnenbild als verrostetes Schiff mit großen Bullaugen im Hintergrund, durch die man aufs Meer blickt und die immer wieder geschickt bespielt werden. Dazu sorgen Videoeinspielungen für die passenden stürmischen Fluten des Meeres. (...)

Insbesondere die Erkenntnis Sentas, dass sich ihr eigentlicher Traummann im dritten Akt mehr und mehr ihrem Vater und seinen Freunden anpasst ist wirklich stark umgesetzt. Passend hierzu, der schlichte und dennoch berührende Schluss, bei dem Senta sich an ihre Träume erinnert, die sie nicht aufgeben möchte. 


(Der Opernfreund | 2022)

 

Alles nur Fantasie

Wasser ist in Roman Hovenbitzers Mönchengladbacher Deutung von Wagners Oper mehr als nur das Element. Wasser ist gleichsam eng assoziiert mit Senta. Schon als Kind spielt sie am liebsten im Piratenkostüm mit dem Modell eines Segelschiffs und hat mit Puppen demonstrativ nichts im Sinn. Das sowie die fatale Vorgeschichte ihrer Familie - Sentas Mutter verstarb offenbar durch Suizid, Vater Daland betrog sie, möglicherweise mit der Amme Mary - erzählt Hovenbitzer während der sturmdurchtosten Ouvertüre in packend stummen Bildern. Aber auch danach taucht das Piratenkostümkind immer wieder als junges Alter Ego von Senta auf, die selbst zumeist das gleiche Outfit trägt und Szenen, an denen sie nicht beteiligt ist, in betont burschikoser Haltung von der Seite beobachtend. Manchmal scheint Senta sogar selbst Regie zu führen, als sei die ganze Geschichte nur ihrer offenbar überbordender Fantasie entsprungen.

Nach der Pause schlägt die Stunde der Senta - aber absolut unkonventionell. (…) Die freiheitsliebende Piratenlady und der geisterhafte Seemann, sie kommen nicht zusammen, nicht einmal im tragischen Opfertod der Senta, der hier ausfällt. Denn Hovenbitzer lässt den Holländer verspießern, den Hochzeitssekt auf Ex kippen wie beim Junggesellenabschied, bevor Senta ihm entnervt den zerknüllten Schleier vor die Füße schmeißt. (…) Immerhin eine politisch-korrekte Lösung.

(Opernwelt | 2022)

 

The flying Senta
Senta kann durchaus auf viele Arten interpretiert werden. In der Mönchengladbacher Version des "Fliegenden Holländers" ist sie keineswegs eine etwas naive oder gar hysterische junge Frau, die sich selbst opfert, sondern eine, die sich am Ende nicht scheut, ihren eigenen Weg zu gehen. (…) Der Holländer wandelt sich vom umherziehenden Abenteurer zu jemanden, der ankommen, der Familie und Besitz, zu dem durchaus auch die zukünftige Frau gehört, genießen mag. Dies entspricht nicht dem Bild, welches sich Senta von ihrer Betziehung mit diesem Außenseiter gemacht hat. Sie rebelliert, bereits im Brautkleid, und bricht am Schluss mit ihrem Alter Ego in eine nunmehr selbstbestimmte Zukunft auf.
(Cialis TV | Music, Norwegen - Übersetzung | 2022)

 

Die geglückte „Entzauberung“ des Holländers
Ja, das will man sehen: Starke, wirkmächtige Symbole an der richtigen Stelle, passend zur Musik. Alles an Bühne, Videos, Licht reißt geradezu hypnotisch mit in die Handlung hinein. Das Personenkonzept von Roman Hovenbitzer stellt nicht den Holländer, sondern die junge Senta in den Mittelpunkt. Und stellt ihr auch (von Wagner so nicht vorgesehen) ein Kind als kleine Senta zur Seite, das schon früh dieser Sagengestalt in Büchern begegnet, sich als Pirat verkleidet.
Und nach zwei Akten glaubt man, endlich mal eine Oper zu sehen, die richtig gut gemacht auch recht genau am ursprünglichen Werk bleibt. Doch da biegt Hovenbitzer auf einmal rasant und ohne Ansage vom Normal-Ablauf ab. Im dritten Akt wird das Stück anders als von Wagner gedacht. Die mythische, sagenumwobene Heldengestalt des Holländers in der Kapitänsuniform der vergangenen Jahrhunderte ist auf einmal entzaubert. Der Mythos verfliegt mit der schlechtsitzenden weißen Uniform eines „Traumschiffkapitäns“, die er jetzt trägt, zivilisiert mit kurzem Haarschnitt. So blass, so angepasst, so leblos im Kreis der anderen Normal-Männer, sich gemeinsam mit ihnen betrinkend. Völlig entzaubert steht er da, der Holländer. Senta – schon im Brautkleid – kriegt auf einmal Schnappatmung. Hat sie das so gewollt? Nein, sicher nicht. Sie wollte das Abenteuer, die Lebendigkeit ihrer großen Illusion. Und so entscheidet sie sich ganz zum Schluss: Der Holländer wird – und das ist die Überraschung – eben nicht erlöst. Nein, Senta erlöst sich selbst von ihrer Wahnvorstellung, vom Opfertod. Schlüpft aus dem Brautkleid wieder hinein in die Piratenuniform. Nein, einen tumben Traumschiffkapitän will sie nicht. Und sie geht entschlossen den eigenen Abenteuern, ihrem eigenen Leben entgegen. Das ist starker Tobak heute zum Schluss, atemlos verfolgt das Publikum diesen fulminanten und so anderen Endspurt der Oper. Großartig. Langanhaltender, begeisterter Applaus für alle Beteiligten.

(IOCO-Kultur im Netz | 2022)

 

Der Kampf für die eigene Freiheit

Wagners frühe Oper gilt als Mischung aus Realismus und Legende. In Mönchengladbach inszenierte Roman Hovenbitzer die Oper zum Spielzeitauftakt und konzentriert sich insbesondere auf die Figur der Senta, deren Gefühle und ihr Ringen um Akzeptanz und Freiheit in einer Gesellschaft, in der die Männer das Sagen haben. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Holländer zu erlösen, aber das Konzept geht am Ende nicht auf. Hovenbitzer entscheidet sich, sie nicht den Opfertod sterben zu lassen. Vielmehr erkennt sie die wahre Natur des frischgebackenen Ehemannes. Senta als Kind taucht schon in der Ouvertüre auf, beobachtet von ihrem erwachsenen alter ego, und erscheint immer wieder im Lauf des Geschehens. Und beide, die kleine und die große Senta, erscheinen im Piratenkostüm als Ausdruck ihres Kampfs für die eigene Freiheit.

(VdO | 2022)

 

Regisseur Roman Hovenbitzer zeigt Wagners Stück aus der Sicht einer sehr heutigen Senta
Im ersten Aufzug (...) taumelt Dalands (imposant und markig: Matthias Wippich) Mannschaft (famos der präzise Männerchor!) im Sturm mit orangen Rettungswesten umher, bis der Holländer im altertümlichen Rock aus dem 18. Jahrhundert das Schiff entert. Johannes Schwärsky gibt der Titelrolle balsamisch strömendes Legato, aber auch plastisch formulierende Durchschlagskraft.
Nach der Pause dann schlägt Ingegjerd Bagøien-Moes Stunde als unkonventionelle Senta: Statt in einer Spinnstube amüsiert sich der Frauenchor in einer Schneiderei für Hochzeitskleider, während die bockige Senta wieder einmal an einem Porträt ihres Traum-Mannes strichelt, dessen Sage sie mindestens so fasziniert wie der Traum von der Freiheit auf einem Piratenschiff.

Man ahnt es schon: Die eigensinnige Piraten-Lady und der geisterhafte Seemann, sie kommen nicht zusammen, nicht einmal im tragischen Opfertod der Senta, der hier ausfällt. Denn Hovenbitzer lässt den Holländer in Lichtgeschwindigkeit verspießern, den Hochzeitssekt runterstürzen, bevor Senta ihm den Schleier vor die Füße knallt. (...) Immerhin eine Hau-Ruck-politisch-korrekte Lösung für die problematische Opfertod-Wendung.

(Rheinische Post | 2022)

 

"Der fliegende Holländer" in Mönchengladbach: Eine faszinierende und bildstarke Umsetzung mit einem überraschend-heutigen Ende.

 Die Ouvertüre beginnt mit einem Film der ungestümen See, bei dem die Wogen hochschlagen. Dann sieht man auf der Bühne eine Seemannsfamilie. Der Vater, offensichtlich Kapitän, geht wieder in See und lässt Frau und Tochter zu Hause. Das etwa 13-jährige Mädchen liest viel und macht sich ein Bild des fliegenden Holländers. Ein Schiff mit blutroten Segeln ist unter ihren Spielsachen. (…) Eine absolut charismatische romantische Sagenfigur und ein alter Seemannsmythos! Roman Hovenbitzer inszeniert diese Oper aus der Sicht einer Senta auf der Schwelle zum Erwachsenwerden.
In der Inszenierung vom Roman Hovenbitzer wird die Seemannsromantik sehr bildstark dargestellt, aber auch kritisch hinterfragt, und zwar aus der Sicht der heranwachsenden Senta. Schon die Ouvertüre, zunächst mit wildem Wellengang bebildert, zeigt, wie Vater Daland immer wieder die Familie allein lässt, um auf der gefährlichen und tückischen See sein Geld zu verdienen. Das Kind Senta liest die Geschichte vom fliegenden Holländer und stellt sich vor, wie die wohl gehen könnte, wenn sie selbst Senta wäre. Auf einer Bühne auf der Bühne beginnt die Handlung in der zeitlosen Gegenwart, immer beobachtet von der jungen Senta im stilisierten Seemannskostüm. (…)
Es endet mit der Vorbereitung der Hochzeit, aber der Holländer hat erfahren, dass Sentas Jugendfreund, der Jäger Erik, glaubt, ältere Ansprüche zu haben. Und Senta ist entsetzt, dass der Holländer sich plötzlich in genauso einen Langweiler und Trinker wie ihr Vater verwandelt. Mit gestutzten Haaren in einer adretten Kapitänsuniform ist da kaum noch ein Unterschied. Als daher der Holländer die Karten auf den Tisch legt und offenbart, er sei der fliegende Holländer, er werde jetzt ohne sie in See stechen, um sie nicht ins Verderben zu stürzen, singt sie zwar noch: „Hier steh ich, treu dir bis zum Tod“, aber dann versinkt des Holländers Schiff mit der Geistermannschaft, und die junge Senta nimmt die erwachsene Senta an die Hand und geht mit ihr in eine bessere Zukunft.
In der Inszenierung Hovenbitzers wird alles relativiert, weil man es mit den Augen eines klugen Kindes sieht. Die falsche Romantik, die Plackerei im Alltag, die Gefahr durch Wetter und Fluten, die das Schiff des Holländers verkörpert. Die Reduktion der Frauen auf Ehe und Familie wird zugespitzt im Brautmodensalon Marys mit einem in der Mitte stehenden Kinderwagen. Der Regisseur distanziert sich deutlich von Wagners Idee der Erlösung des Holländers durch eine sich opfernde Frau, denn so etwas kann man heute nicht mehr erwarten. Ich fand es tröstlich, dass Senta diesmal überlebt und ihren Heimatort verlässt. Es bleibt die Frage danach, was im Leben wirklich wichtig ist.
Das Bühnenbild der Bühne auf der Bühne ist nach rechts erhöht. Dadurch hat man ständig den Eindruck, in einem Schiff zu sitzen, das schief in den Wellen liegt. Bühnenfilmer Peter Issig hat hervorragende Videoprojektionen der See, die im Hintergrund immer zu sehen ist, und vor allem Großaufnahmen der Protagonisten, die live in schwarz-weiß projiziert werden, erstellt, die die Ästhetik des Kinos erzeugen. Auch die Kostüme von Mechthild Seipel sind in jeder Hinsicht eine Augenweide, auch weil sie im dritten Akt alle Frauen in Brautkleider und die Herren in Smokings bzw. moderne Seemannsuniformen steckt.
Diese Inszenierung ermöglicht jungen Opernbesuchern einen Zugang zum Stück und Kennern des Werks eine faszinierende und bildstarke Umsetzung der Seemannsromantik und des Mythos vom fliegenden Holländer mit einem überraschend-heutigen Ende.    •    
(Das Opernmagazin | 2022)

 

Die fliehende Senta

Regisseur Roman Hovenbitzer, am Gemeinschaftstheater bereits durch Inszenierungen von "Peter Grimes" und "Nabucco" bestens eingeführt, deutet Sentas Treueschwüre als Lippenbekenntnisse und zeigt im Schlußbild statt eines gen Himmel fliegenden Holländers eine den ganzen Machohaufen ziemlich alt aussehen lassende Piratenbraut: Die fliehende Senta. Wagner hält es aus und das Publikum hat keine Einwände. (...) Da gibt es, auch dank der zwischen Heute und Fantasy changierenden Kostüme von Mechthild Seipel immer viel zu sehen. Die aus großen Bullaugen glotzende Einheitsbühne von Roy Spahn kann viel, auch durch eine ausgeklügelte Lichtregie.

(Aachener Nachrichten | 2022)

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